»Echters soziale Taten anerkennen«
Stephanie zu Löwenstein: Erbprinzessin plädiert für ehrliches, gerechtes Bild des Würzburger Fürstbischofs
LAUDENBACH. War der Fürstbischof doch kein übler Hexenjäger? Über den »wahren Julius Echter« hat Stephanie zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg am Sonntag den 13. Mai vor über 50 Zuhörern in Laudenbach referiert. Im Interview beschreibt die Erbprinzessin, wie die Forschungen des Marburger Dozenten Robert Meier das Bild dieses prominenten Klerikers aus der Zeit der Gegenreformation verändert haben.
Robert Meier hat in seinem 2016 entstandenen Buch den Thesen von Lyndal Roper über den fanatischen Hexenverfolger Julius Echter ein differenzierteres Bild gegenübergestellt, und Sie haben am Sonntag vor vollem Haus in Laudenbach dieses Bild vertieft. Welche Erkenntnisse Meiers sind für Sie besonders wichtig?
Mir fehlen in den Betrachtungen derer, die Quellen über Julius Echter aus dem frühen 19. Jahrhundert nutzen, die authentischen Zitate aus dem 16. und frühen 17. Jahrhundert, vor allem die über die damaligen Rechtsgrundlagen: Bevor Julius Echter Bischof wurde, ja sogar vor seiner Geburt hatte das katholische Kaiserhaus in der Strafprozessordnung 1532 die Folter legitimiert, mit der man ein Geständnis erzwingen wollte. Auch die Juden waren vor Echters Geburt schon aus Würzburg ausgewiesen worden, um Konkurrenz im Handel los zu werden. Außerdem entschied seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 der Landesherr über die Religion in seinem Gebiet.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster, der in Würzburg lebt, hob im Video der großen Echterausstellung die großen Leistungen Echters für Würzburg hervor, betonte aber auch, er halte es für wichtig, sich auch mit seinen Verfehlungen auseinanderzusetzen. Wie sehen Sie Julius Echter und seine Regierungszeit in diesem Spannungsfeld?
Heute wissen wir, dass es überhaupt nicht christlich und rechtlich ist, Religionsgruppen kollektiv nicht gleichberechtigt zu behandeln. Damals waren die Handelserfolge der jüdischen Minderheit Anlass für Neid bei der übrigen Bevölkerung und der Kaiser entschied – wie manchmal die Kartellämter heute – im Sinne der neidischen Mehrheit, die sich nach ihrer Religionszugehörigkeit als Gruppe definierte. Dass das Juliusspital auf dem jüdischen Friedhof erbaut wurde, war eine klare Enteignung, aber auch nicht viel mehr. Der Friedhof war laut Quellenlage nämlich im 16. Jahrhundert gar nicht mehr von den Juden genutzt worden und bot sich deshalb als Spitalort für die Waisen und Alten an.
Im Buch Meiers heißt es: »Nach derzeitigem Kenntnisstand sind aus den ersten 27 Jahren der Regentschaft des Fürstbischofs keine Hinrichtungen wegen Hexerei bekannt. Das Hochstift Würzburg war von 1573 bis 1600 prozessarm und hinrichtungsfrei« Können Sie sich erklären, warum es in seinen letzten 17 Regierungsjahren dann auch nach Meiers Aussage immerhin zu 300 Hexenverbrennungen unter dem Fürstbischof kam?
Das erscheint uns allen erschreckend widersprüchlich. Ein Erklärungsversuch: Armut und Unruhen nahmen ab 1600 deutlich zu. Damit geht immer auch ein zunehmender Kontrollverlust einher und die Rechtsprechung verselbstständigt sich. Dieses Phänomen kann man auch später noch häufiger beobachten – bis heute. Julius Echter war damals schon 55 Jahre alt, seine Geschwister starben nach und nach, auch seine Eltern. Ich frage mich, wie ging es ihm nach den vielen Visitationsreisen in seine Pfarreien? Was delegierte er, was entschied er, was wusste er? Wieso hält er 1593 den Hexereivorwurf für »eitles Fabelwerk« und verbietet in vielen Fällen das Foltern, während sieben Jahre später die Urteils- und auch die Hinrichtungszahlen in den Ortschaften ansteigen? Leider sind die Unterlagen der Zentgerichte unauffindbar. Warum berichten Flugblätter aus Tübingen über massive Hexenverbrennungen in Würzburg, die sicher nicht stattgefunden haben? Wer war Feind, wer Freund, wer Denunziant, wer Vollstrecker? Noch wissen wir es nicht…
Julius Echter ist der Namenspatron des Gymnasiums in Elsenfeld. Wie stehen Sie zu dieser Namensgebung?
Der Name Julius Echter steht für großes und mutiges Sozial- und Bildungs-Engagement, das auch Dr. Schuster anerkennt. Ich entschuldige kriminelles Handeln des Namensgebers nicht, weiß aber auch, dass Echters soziale und landesherrliche Taten hoch anzuerkennen sind und den Schülern des Echter-Gymnasiums durchaus zum Vorbild dienen können. Ich vertraue übrigens sehr auf die Jugend und auf ihre Urteilsfähigkeit – gerade auch in diesem Gymnasium, das ich sehr empfehlen kann.