Buntsandstein-Erlebniszentrum Reistenhausen

Am Sonntag, den 2. Juni 2024, um 13.30 Uhr trafen sich 20 Interessierte des Heimat- und Geschichtsverein Laudenbach am Buntsandstein-Erlebnis-Zentrum in Collenberg. Dort empfing uns der Architekt i. R. Peter Mayer. Er ist der Initiator und war der Projektverantwortliche der sein Vorhaben in über 12-jähriger Arbeit auf den Weg brachte, so dass am 20. Mai 2022 die Einweihung des Zentrums und gleichzeitig des Bundsandstein-Erlebniswegs (Wegstrecke Miltenberg bis Faulbach ca. 40km), begangen werden konnte.

Zuerst gingen wir zum Museum des Heimatvereins Collenberg, dem ehemaligen respektablen Ansitz des Venantius Arnold (erbaut 1872/73) mit Büro- und Wirtschaftsgebäuden sowie Kutschenremisse etc., des seinerzeit reichsten Steinmagnaten vor Ort. Dieser war verheiratet mit Maria Hennch, der Tochter des zweitmächtigsten Steinbarons zu Reistenhausen namens Franz Hennch.      Diese Gebäude gingen dann als Stiftung an die Gemeinde mit der Prämisse zur Errichtung einer Kinderbewahr-Anstalt mit Kindergarten. 1940 bis 1957 war dort auch die Gendarmerie- Station Reistenhausen untergebracht. Vis a vis war die Gumbingers Wirtschaft „Zur Krone“ (erbaut 1747) mit zwei Kegelbahnen. Dieser Anton Gumbinger besaß außerdem einen Steinbruch und einen Steinmetzbetrieb, war Schiffseigner und hatte große Weinberge mit Rotwein. Denno Weiter ging es am ehem. „Bayerischen Hof“ das Anwesen des Franz Hatzel, Steinbruchbesitzer der Hatzelsteingrube, Danach ging es durch den Ort unterhalb der neuen Kirche St. Josef (erbaut 1922/23) und „Gasthof „Zum Anker“ (erbaut 1794 Otto Arnold) und dem ehem. „Schwarzen Adler. Jetzt ging es vorbei an der Gaststätte „Zum Engel“ (erbaut von Franz Hennch 1833), späterer Inhaber der Brauereibesitzer der sogenannte „Bier-Stenger“.  Weiter ging der Gang über das Dorf an den vielen Villen der 1830er bis ca 1880er Jahren der Steinmetzfamilien vorbei. Zu erwähnen wäre noch das ehemalige Gasthaus „Zum Stern“ (erbaut 1834 von Joseph Hennch) und das Gasthaus „Zum Schwarzen Bären“, (erbaut 1854/55 von Alexius Arnold) mit Postexpedition. Daneben die Villa von August Hennch, erbaut 1865. Hervorzuheben wären noch die zwei Villen von Ernst Hennch und Kurt Arnold und die ehemalige Gerberei von Alexius Arnold an der Ullersbach und eine weitere Villa von August Hennch, dann Praxis des Kinderarztes Dr. Krämer.

 

 

Nun ging es zum Friedhof Reistenhausen. Hier sind die hochwertigen Grabmale der ehemaligen Steinbarone, Schiffsbesitzer und vieler anderer Persönlichkeiten erhalten, die alle unter Denkmalschutz stehen. Die Grabmale der Christen und Juden gleichen sich in ihrer Ausgestaltung und der Symbolik, da es die gleichen einheimischen Steinmetze waren die die Steine fertigten. Der ehemalige Israelitische Bezirksfriedhof befindet sich außerhalb des Dorfes am Waldrand.

Jetzt ging es zurück zum Buntsandsteinmuseum und dort erzählte uns Peter Mayer die Geschichte rund um den Abbau und die Herstellung verschiedenster Bausteine und hochwertigsten Steinerzeugnisse der Steinmetze und der Steinbildhauer. 

So kann Collenberg auf eine urkundlich über 700-jährige Tradition der Steinverarbeitung zurückblicken. Die Arbeit rund um den Stein haben nicht nur die Landschaft mit den karmoisinroten Steinbrüchen und Weinbergsmauern nebst die vielen Orte mit ihren Steinbauten (Burgen, Schlösser, Kirchen, Wohnhäuser, Bildstöcke und Statuen etc. geprägt, sondern auch das Leben in den Gemeinden. Hier in Collenberg haben mehr als die Hälfte der Einwohner ihre Lebensgrundlage mit dem Buntsandstein verdient.

Die Buntsandsteinformation hier am Untermain erreichen in einer hohen Qualitätsstufe in ihrer Mächtigkeit eine Höhe von 90 Metern. Dieser Sandstein hier vor Ort (genannt Miltenberger Sandstein) hat ein Alter von 245 Millionen Jahren. Ein Kubikmeter unseres heimischen Buntsandsteins hat ein spezifisches Gewicht von über 2,3 Tonnen. Der Abbau des Steinmaterials erfolgte mit dem Untergraben der Steinwand und das „Hangende“ wurde mit Holzstützen, im mit Strossen unterfangen, später blieben Steinsäulen stehen die im Sturzverfahren mit Schwarzpulver bzw. Dynamit weggesprengt wurden und die Steinschichten herunterbrachen.                                                                                                         In den Steinverarbeitungsfirmen gab es folgende Berufe, so die Räumer, Steinbrecher, Stößer (Mauersteine grob zurichten), Bossierer (Steine genau auf Maß bringen mit Spitzeisen etc. und Fäustel), Steinmetze (Profilarbeiten), Bildhauer (kunstvolle, filigrane Arbeiten), Poliere (Arbeitseinteilung und Überwachung), Steinmetzmeister und Steintechniker. Die Arbeiten in den Steinbetrieben waren sehr gefährlich und gesundheitsschädlich. Durch die Staublunge (Silikose) lag die Lebenserwartung unter 39 Jahren. Das Sprichwort hieß: “Steinhauerbrot – früher Tod“. So gründete man hier im Jahre 1822 schon recht früh den Krankenunterstützungsverein für Steinhauer.  Kinder im Alter von 16 Jahren bezahlten 50.- Pfennige, bei Erreichen des 16. Lebensjahres betrug der monatliche Vereinsbeitrag 1 Mark. Ab einem Alter von 30 Jahren wurde keiner mehr in den Verein aufgenommen. Bei Krankheit oder Invalitität erhielte das Mitglied 6.- Mark wöchentlich, nach 13 Wochen noch 3 Mk. Beerdigungskosten wurden mit 20.- Mark vergütet. Bei Tod musste die hinterbliebene Witwe selbst für den Lebensunterhalt der Familie sorgen und als Räumerin oder beim Verladen der Steine helfen. Selbst Kinderarbeit war im 19. Jahrhundert noch an der Tagesordnung. So mussten die Hinterbliebenen oft noch ihre Wiesen und Äcker verkaufen, um über die Runden zu kommen und somit wurde die Not nur noch größer.

Die Auszahlung des kargen Wochenlohns erfolgte in den Gaststätten der Steinbarone, so dass oft der Verdienst gleich verzehrt wurde und somit die anstehenden Schulden noch anwuchsen.  Der Wochenverdienst um 1900 betrug für einen Räumer 1,20.- Mark, der Steinmetz erhielt 1,50.- Mk. und 2.- Mk. bekam der Vorarbeiter an jedem Arbeitstag.  Die Arbeitszeit betrug 11 Stunden täglich in der 6 Tagewoche.                                                                                                                 Bis zu 200 Arbeiter kamen aus den armen Spessartdörfern, so u-a- auch aus Wildensee, Krausenbach und Wintersbach und sogar aus Schollbrunn.                        Sie mussten 10 Pfg. für eine Kammer zahlen oder in Steinhauerhütten nächtigen,            denn sie kamen oft nur am Wochenende und dann nur für ganz kurz, nach einem über dreistündigen Marsch zu ihren Lieben nach Hause. Im Winterzeit, meist die Zeit zwischen Dezember bis einschließlich März ruhte die Arbeit in den Steinbrüchen und somit gab es auch keinen Verdienst für die Arbeiter.

Mit dem Bau der Eisenbahn 1906 bzw. 1912 Stadtprozelten – Wertheim ging auch für die Schiffsleute der Verdienst um den Transport von Steingut vorbei.                   Um 1910 kam der Buntsandstein aus der Mode, andere Gesteinsarten und Materialien, wie Beton oder Kunststeine erhielten den Vorzug. Ab 1912 wurden einige Steinhauerhütten und Schmieden an den Bahnhof verlegt.und die letzten Steinhauerhütten am Main wurden 1931 geschlossen. 1957 gab der letzte Steinmetzbetrieb von Pius Arnold in Reistenhausen auf und 1963 in Fechenbach die Steinsäge (vorher Pius Arnold) der Firma Oskar Winterhelt.

Diese Informationen kann man in der Dauerausstellung des Buntsandstein- Erlebnis-Zentrum an Hand von Ausstellungsstücken, Schautafeln und Filmaufnahmen besichtigen. Ausgestellt sind diverse Werkstücke und Werkzeuge und viele Hilfsmittel zur Bearbeitung und zum Transport der Erzeugnisse des ehemaligen großen Wirtschaftszweiges der Steinindustrie.

Oberlehrer August Reichert, Fechenbach sagte 1897 einmal: „Reistenhausen darf für sich in Anspruch nehmen, der Sitz der Mainsandsteinindustrie zu sein, solange sich dieser Geschäftszweig verfolgen lässt“.

Es war ein sehr unterhaltsamer und informativer Sonntagnachmittag.